Diesen Artikel auf krautreporter.de möchten wir Euch wirklich sehr ans Herz legen. Er ist so super ausführlich und authentisch. Man merkt, dass die Autorin Esther nicht für zwei Stunden und drei Fragen in eine inklusive WG gefahren ist, sondern ein ganzes Wochenende dort eingezogen ist. Sehr ehrlich schildert sie ihre eigenen Vorbehalte und wie sie sich langsam abbauen. Und man bekommt einen hautnahen Eindruck davon, was für ein cooler Haufen die "Wg mal anders" aus Goch ist. :-)
Du hast richtig gelesen: Schon 30 Jahre wohnen im Münchner Stadtteil Neuhausen Menschen mit und ohne sogenannten geistigen Behinderungen unter einem Dach. Obwohl 1989 noch niemand von Inklusion gesprochen hat, war die WG von Gemeinsam Leben Lernen e.V. damals vermutlich die erste inklusive Wohngemeinschaft Deutschlands.
Zu diesem freudigen Jubiläum hat der BR einen tollen Fernsehbeitrag gedreht, in dem die unterschiedlichsten Menschen aus ihrer Perspektive auf dieses Pionierprojekt schauen:
Bisher habe ich mir eigentlich noch keine großartigen Gedanken über ein inklusives Wohnen gemacht. Für mich war das zusammenwohnen mit meiner Familie das selbstverständlichste auf der Welt. Meine Familie, das sind meine Frau, meine beiden Mädels und zwei Katzen.
Das ist er also, der erste Winter in meiner neuen WG. Seit April wohne ich in einem Münchner Vorort zusammen mit meiner kleinen Schwester Melanie. Läuft gut soweit! Besser, als es uns prophezeit wurde. Aber das Verhältnis zwischen meinen Geschwistern und mir war immer sehr eng, und letztendlich auch einer der Gründe, warum ich aus Berlin wieder in die Heimat gekommen bin. Sie haben mir einfach gefehlt.
Seit mittlerweile einem Jahr *jippie* veranstalten wir unsere Party-Reihe "Disco mal anders!". Das war natürlich ein guter Grund, das eXcited in Goch mal wieder so richtig zum Beben zu bringen. Mit vielen alten und neuen Gesichtern, Kuchen, Sekt und guter Musik wurde das Jubiläum zünftig gefeiert.
Nach einigen Jahren in verplanten Studenten WGs und Wohnheimen waren Tag und Nacht irgendwie relativ geworden. Bis ich dann in die inklusive WG in Landsberg am Lech zog.
„Liebe macht nicht blind. Liebe öffnet unsere Augen und lässt uns den anderen ganz sehen. Auch die Schwächen. Und dann bleibt sie trotzdem da.“
Und damit sich Rudi und Agathe in ihrer zukünftigen Ehe immer wieder daran erinnern, gab der Pfarrer den zwei nach seiner Predigt ein Geschenk. Einen Jesus der seine Augen weit geöffnet hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurden wir alle von der wundervoll emotionalen Stimmung mitgerissen.
Es ist Freitagabend, der 22. Juli. Nur vier Kilometer Luftlinie von uns schießt ein Mann im Olympia-Einkaufszentrum wahllos auf Menschen. Lange Zeit ist unklar, ob es sich dabei um einen Einzelfall handelt oder in München gleichzeitig mehrere Attentate verübt werden. Ich befinde mich in der unangenehmen Lage, darüber zu entscheiden, wie ich meinen Mitbewohner*innen mit „geistiger Behinderung“ die Situation erkläre.