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Drei junge Frauen stehen vor einer Wand. Sie halten selbstgebastelte Schilder mit "Inklusion" und "Selbstbestimmung" in der Hand. An der Wand weitere Schlagworte wie "Ort des Zusammenlebens".
Drei junge Frauen stehen vor einer Wand. Sie halten selbstgebastelte Schilder mit "Inklusion" und "Selbstbestimmung" in der Hand. An der Wand weitere Schlagworte wie "Ort des Zusammenlebens".

Gründungsleitfaden

Wie entsteht eine aktive Gemeinschaft?

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Für ein inklusives Zusammenleben ist es zentral, dass eine aktive Gemeinschaft der Bewohner:innen entsteht. Wir zeigen Ihnen Möglichkeiten, wie diese durch gute Architektur, gemeinsame Aktivitäten und eine pädagogische Begleitung gefördert werden kann.

Für inklusive Wohnprojekte ist ein gelebtes Miteinander zentral. In unserer deutschlandweiten Befragung inklusiver Wohngemeinschaften haben wir die Träger, Fachkräfte, Bewohner:innen und Angehörige gefragt, was den Zusammenhalt der WG stützt.

Gemeinschaftsräume, regelmäßige Besprechungen und gemeinsame Aktivitäten werden am häufigsten genannt, aber auch Rituale, Rückzugsmöglichkeiten und sogar gemeinsame Urlaube erscheinen wichtig. Dies zeigt: Um eine aktive Gemeinschaft zu entwickeln und aufrecht zu erhalten, sind verschiedene Ebenen wichtig. Auf die wichtigsten drei wollen wir in diesem Artikel eingehen.

Räume für Begegnung schaffen

Eine Gemeinschaft braucht Orte, an denen Begegnungen stattfinden können. Die Möglichkeiten sind vielfältig: In Quartiersprojekten wird oft auf Nachbarschaftstreffs und Cafés gesetzt, in Hausgemeinschaften sind es meist Gemeinschaftsräume und gemeinsame Gärten, das Herz einer Wohngemeinschaft ist in der Regel der Wohn- und Essbereich. Es ist deshalb wichtig, in den Planungen zu beachten, dass die Architektur die Entstehung von Gemeinschaft fördert und nicht behindert.

Gleichzeitig gilt es, auch den unterschiedlichen Bedürfnissen an Privatsphäre Beachtung zu schenken. Unsere Erfahrungen aus inklusiven Wohngemeinschaften zeigen, dass ein guter Schallschutz zwischen Gemeinschaftsräumen und Privaträumen wichtig ist. Zudem sollten die Gemeinschaftsräume verschiedene Aktivitäten nebeneinander ermöglichen. Wir empfehlen deshalb möglichst einen lauten Gemeinschaftsraum (z.B. Kochen, Reden, Feiern, Kickern) und einen ruhigen Gemeinschaftsraum (z.B. Lesen, Fernsehen, private Unterhaltungen) einzuplanen.

Ausführlich widmen wir uns dem Thema im > Artikel „Architektur für inklusives Wohnen“.

Portrait Pierre Zinke
© P. Zinke

„In meiner WG hat das Essen immer besonders gut geschmeckt, weil mir die Menschen, die da waren, am Herzen lagen!“

Pierre Zinke

langjähriger Bewohner der inklusiven WG 6plus4 in Dresden

Gemeinsame Aktivitäten anregen

Inklusive Wohnformen unterscheiden sich von Wohnheimen und klassischen Wohngruppen vor allem dadurch, dass Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenwohnen. Für ein gelebtes und selbstverständliches Miteinander braucht es jedoch mehr als nur räumliche Nähe.

Eine aktive Gemeinschaft entsteht durch gemeinsame Aktivitäten. Welche das sind und wie regelmäßig oder spontan sie stattfinden können, variieren. Ein Klassiker sind Sommerfeste, Weihnachtsfeiern und andere Festivitäten. Diese sind allerdings eher die Kirsche auf dem Eis – das richtige Miteinander entwickelt sich im Alltag: Beim gemeinsamen Abendessen, Wochenendbrunch, Gärtnern, Spieleabend, Fernsehen, Feierabendbier und ähnlichem.

Viele inklusive Wohnprojekte überlassen die gemeinsamen Aktivitäten nicht dem Zufall, sondern verpflichten die Bewohner:innen dazu, sich in einem gewissen Maß in die Gemeinschaft einzubringen, oft im Gegenzug für eine reduzierte Miete. Auf das Modell „Wohnen für Assistenz“ gehen wir im > Artikel „Die Rolle der Bewohner:innen ohne Behinderung“ näher ein.

Auch die Ergebnisse unserer deutschlandweiten Befragung inklusiver Wohngemeinschaften unterstreichen die Bedeutung gemeinsamer Unternehmungen: 82% der Befragten finden sie wichtig. Auffällig ist jedoch, dass die Bewohner:innen mit Behinderung sie im Schnitt als weniger wichtig erachten (58%) als die übrigen Befragten. Inklusives Wohnen sollte folglich kein „Gemeinschaftszwang“ sein. Gemeinschaftliche Aktivitäten setzen Impulse für ein gelebtes Miteinander. Mindestens genauso wichtig ist aber auch zu respektieren, wenn Bewohner:innen nicht (immer) teilnehmen möchten.

Inklusion gut begleiten

Als in den 1980er Jahren die ersten Konzepte für integrative und inklusive Wohnformen entstanden, war meist das erklärte Ziel, dass diese ohne eine pädagogische Begleitung funktionieren. Sie sollten ein Gegenentwurf zum oft „durchpädagogisierten“ Alltag von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen sein.

Heute sind wir überzeugt, dass Inklusion und eine gute fachliche Begleitung kein Widerspruch, sondern förderlich bis unbedingt notwendig sind. So haben zumindest alle inklusiven Wohnprojekte, die sich an Menschen mit sog. geistigen Behinderungen richten, eine pädagogische Koordination oder Leitung. Sogenannte WG-Leitungen moderieren das inklusive Zusammenleben, haben ein Auge auf das Wohlbefinden und die persönliche Entwicklung der Bewohner:innen und sind Ansprechpartner:innen für Angehörige, Kostenträger und andere Außenstehende. Außerdem sind sie häufig mit administrativen Aufgaben wie Dienstplänen, Haushaltskassen und ähnlichem betreut.

Da die Anforderungen an Leitungs- und Koordinierungskräfte in inklusiven Wohnformen besonders hoch sind, ist es wichtig, motivierte und qualifizierte Fachkräfte für diese Aufgabe zu finden und sie entsprechend gut zu vergüten.

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